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Paed-Kit im Einsatz

Kindernotfallversorgung – Meine Erfahrungen mit dem Paed-Kit

Seit etwa anderthalb Jahren nehme ich auf meine Notarzteinsätze im „IFK-Land“ das Paed-Kit mit und hatte es regelmäßig bei Kindernotfällen im Gebrauch die sich alle unspektakulär gestalteten. Der Hauptvorteil hierbei war, dass es viele Wege vom Ort des Geschehens zum Fahrzeug überflüssig machte, da es wirklich ein „Rundumsorglospaket“ darstellt. Die meisten Ausrüstungsgegenstände des Paed-Kit sind zwar irgendwo auf den Fahrzeugen verlastet, allerdings an mindestens fünf verschiedenen Stellen, sodass ein Teammitglied in der Regel zwischen Fahrzeug und Patient permanent hin und her rennt.

Bislang hatten sich also alle gerne aus der gelben Tasche bedient und so die Gelenke geschont.

 

Der Hauptgrund für mich persönlich das Paed-Kit mitzunehmen ist die Tatsache, dass sich Beatmungsbeutel / Masken und Sauerstoffinhalationsmasken mit Reservoir in allen nötigen Größen darin befinden, die ich bis zum 15. Juli diesen Jahres (2016) zugegebenermaßen nicht gebraucht habe.

 

Die Rettungsmittel auf denen ich tätig bin, führen immer nur einen Neugeborenen-Beatmungsbeutel sowie ein Erwachsenenmodell mit sich. Was bedeutet, dass für die allermeisten unserer pädiatrischen Notfallpatienten im Notfall erst einmal keine Beatmungsmöglichkeit, sondern nur die Möglichkeit zur intensiven Totraumventilation besteht. Dieser Missstand wurde von mir zwar immer wieder gebetsmühlenartig vorgetragen, jedoch außer einem Achselzucken seitens der Rettungsdienstträger ist bisher keine Bewegung eingetreten.

 

Einsatzbericht 1

Mitte Juli war ich glücklicherweise mit einem, auf der NEF-Rücksitzbank ordnungsgemäß angeschnallten, Paed-Kit in Altensteig unterwegs, als wir zu einem 7-jährigen Jungen mit akuter Atemnot alarmiert wurden. Nach 7-minütiger Anfahrt fanden wir uns bei einem tief zyanotischen, extrem kachektischen mehr tot als lebendigem mehrfachbehinderten Kind in Schnappatmung und Bradyarrythmie wieder. Es bestand zudem eine Missbildung im Mund-Kiefer-Bereich, welche einen schwierigen Atemweg nahelegte.

Glücklicherweise gelang es mit passendem Beatmungsbeutel und Maske problemlos das Kind zu beatmen. Ein weiterer glücklicher Umstand war die Anwesenheit eines erfahrenen und trainierten Teammitgliedes, welches die Beatmung optimal gewährleistete, sodass ich mich schnell auf Problemsuche machen konnte. Wie ich in Erfahrung bringen konnte, leidet das Kind an einer Muskeldystrophie sowie unter einer zunehmenden Schluckstörung. Essen und Flüssigkeitsaufnahme waren seit Tagen nur noch teelöffelweise möglich gewesen. Nach ebenfalls glücklicherweise  problemloser Anlage eines peripheren Gefässzuganges applizierte ich sofort einen Flüssigkeitsbolus. Unmittelbar darauf setzte wieder eine adäquate Spontanatmung und eine stabile Kreislauffunktion ein. Wenig später war das Kind wieder ansprechbar. Die Glukosemessung ergab einen Wert von über 500mg/dl wobei eine Diabetes bisher nicht bekannt war.

Die weitere Anamnese ergab, dass das Kind seit zwei Tagen wohl aufgrund des Nahrungs- und Flüssigkeitsmangels zunehmend somnolent geworden war. Kurz vor der Alarmierung hatte der Vater versucht, angedickte Flüssigkeit zu füttern was bei dem extrem geschwächten Kind zu Bolusgeschehen und Asphyxie führte.

Rasche Oxygenierung und Flüssigkeitsbolus hatten hier ausgereicht, um eine Periarrestsituation bei einem siebenjährigen Kind zu rekompensieren. Ein adäquater Beatmungsbeutel und eine passende Beatmungsmaske waren essentiell. Die Hubschrauberbesatzung hat dann gleich auch noch meine Sauerstoffinhalationsmaske zusätzlich mitgenommen, da sie auch nichts Passendes dabei hatten. Ich konnte ein Leuchten in den Augen der Kollegen ausmachen als ich mein wohlsortiertes Sortiment darbot.

 

Man mag es besonders gewissenhaft nennen oder den Beginn einer Zwangsstörung, denn in meinem Privat-Notfallrucksack habe ich eben diese Hilfsmittel zusätzlich im PKW dabei. So konnte ich nach diesem Einsatz das Paed-Kit wieder auffüllen. Was auf der Rettungswache nicht möglich gewesen wäre.

 

Einsatzbericht 2

Es kam wie es kommen musste. Einige Stunden später wurden wir erneut zu einem Kindernotfall alarmiert. Diesmal handelte es sich um ein 2-jähriges Mädchen mit Krampfanfall. Nach 7-minütiger Anfahrt erwartete uns wider Erwarten keine harmlose Standardsituation, sondern ein völlig aufgelöster Vater, der gerade Herzdruckmassage bei einem tief zyanotischen am Boden in seinem Erbrochenen liegenden Kleinkind durchführte. Das Geschwisterkind war durch Geräusche im Kinderzimmer aufmerksam geworden und hatte die Eltern informiert. Bei unserem Eintreffen war das Kind schwer hypoxisch, gleichzeitig fand sich neben einem diskreten tonisch-kölnischen Krampfen der Arme ein ausgeprägter ungerichteter Nystagmus. Das Kind war bislang völlig unauffällig und gesund gewesen, die Körpertemperatur und Blutzucker waren normal.

Auch hier kam der Kinderbeatmungsbeutel unmittelbar zur Sauerstoffvorlage zum Einsatz, was schnell zu einer adäquaten Oxygenierung und Kreislaufsituation führte. Als Zweitmaßnahme applizierten wir gewichtsadaptiert Midazolam über das MAD-System, was allerdings nicht zur Krampfunterbrechung führte. Bei zwischenzeitlich guter Kreislaufsituation gelang zum Glück die Anlage eines periphervenösen Zugangs problemlos. Hierauf applizierte ich bei weiter persistierendem Krampfanfall gewichtsadaptiert Lorazepam i.v.. Bis auf eine zunehmende Sedierung des Kindes konnte ich anhand des weiterbestehenden Nystagmus keine Unterbrechung des Krampfanfalles feststellen. Somit setzte ich das sich immer in meiner linken Jackentasche (sowie auch im Paed-Kit befindliche) Valproat in maximaler gewichtsadaptierter Dosis ein – ohne Erfolg. Zwischenzeitlich konnte ich einen Neuropädiater der nächstgelegenen Uniklinik zu Rate ziehen, welcher empfahl die nunmehr doppelte Valproatdosis zu wiederholen. Erst hierauf sistierte der Krampfanfall und das Kind wurde somnolent aber erweckbar.

Zwischenzeitlich war eine neue Hubschrauberbesatzung gelandet, die ich wegen des protrahierten Krampfanfalles zum Transport in die 1 ½ Stunden entfernte Uniklinik angefordert hatte. Letztlich wurde aber der Lufttransport mit der Begründung abgelehnt, das Risiko für eine Hypoxie ohne vorhergehende Intubation im Falle eines erneuten Krampfanfalles sei zu hoch. Valproat war auf dem Hubschrauber nicht verfügbar, sodass ich mit dem zwischenzeitlich stabilen Kind die schöne Überlandfahrt antreten durfte. Schließlich konnte ich dort ein waches, klinisch unauffälliges Kind übergeben. Nach Rücksprache mit den Eltern sind keine neurologischen Folgeerscheinungen zurück geblieben. Die Eltern wollen das ganze Rettungsteam dann noch zu einem Fest einladen.

 

Danach war meine Schicht beendet und nachdem ich wieder zu Hause war habe ich sofort alle Verbrauchsmaterialien wieder aufgefüllt. Man weiß ja nie…

 

Fazit

Abschließend kann gesagt werden, dass bei beiden kritischen Kindernotfällen viele glückliche Umstände (kurze Eintreffzeiten, gutes Team, behandelbare Probleme) vorgelegen haben. In beiden Fällen waren jedoch die schnelle Verfügbarkeit aller essentiellen Hilfsmittel und Medikamente sicherlich mit entscheidend für den glücklichen Ausgang.

Viele Grüße und nochmals Danke an alle für die tolle Arbeit, die ihr mit dem Paed-Kit geleistet habt.

Thilo Straub